Wikipedia – Jetzt wird’s persönlich!

Dass und warum ich Wikipedia für tendenziös halte, sobald es um Religion, Christentum und Kirche geht, habe ich mehrfach zu verdeutlichen versucht. Ich habe über Doppelstandards, totalitär anmutende Binnenstrukturen, ein – sagen wir mal: arg verkürztes – Verständnis von Sachverhalten geschrieben und darüber, dass es flappsige Bemerkungen in jede noch so knappe Biographie schaffen, vorausgesetzt, sie sind unversöhnlich gegenüber Religion, Christentum und Kirche.

Wie tendenziös Wikipedia aber tatsächlich ist, habe ich erst jetzt erfahren, anhand eines Artikelgegenstands, den ich ganz gut kenne, besser jedenfalls als – ich sag mal – „Justin Bieber“. Wie tendenziös Wikipedia ist, weiß ich jetzt, nachdem ich den Artikel „Josef Bordat“ las.

Im Abschnitt „Leben“ (dessen Inhalte zumindest einigermaßen stimmen, weil und soweit sie aus meinem Kathpedia-Artikel entnommen wurden, den ich im wesentlichen selbst verfasst habe) gibt es drei Absätze. Der erste befasst sich mit meiner Ausbildung, der dritte enthält (teils veraltete) Angaben zu meinem Privatleben; entscheidend ist der zweite Absatz, in dem es um meinen beruflichen Werdegang geht.

Der Absatz lautet:

„Er trat als Mitherausgeber des International Journal of the Humanities (Melbourne) und als Redakteur des Marburger Forums in Erscheinung. Von 2011 bis 2014 war er Post-Doc am Institut für Ethnologie der FU Berlin. Seit den 2000er Jahren ist er als freiberuflicher Autor u. a. für Die Tagespost tätig. Seit dem 1. November 2017 arbeitet er für Die Tagespost als Redakteur. Er betreibt ferner das katholische Weblog Jobo72 und schrieb auf den rechtskatholischen Websites kreuz.net und gloria.tv“.

Hängen bleibt – zumindest bei mir, vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich – der letzte Satz: „Er betreibt ferner das katholische Weblog Jobo72 und schrieb auf den rechtskatholischen Websites kreuz.net und gloria.tv“. Besonders der Passus „schrieb auf den rechtskatholischen Websites kreuz.net und gloria.tv“ ist hier von Interesse. Er nimmt etwa den gleichen Raum ein wie „Von 2011 bis 2014 war er Post-Doc am Institut für Ethnologie der FU Berlin“ oder „Seit den 2000er Jahren ist er als freiberuflicher Autor u. a. für Die Tagespost tätig“.

Was nach dem ersten Eindruck hängen bleibt: Ein „Engagement“ bei „rechtskatholischen Websites“, das biographisch ähnlich schwer wiegt wie drei Jahre wissenschaftliche oder 15 Jahre publizistische Arbeit. Die Reihenfolge der Angaben legt zudem nahe, dass es sich um eine chronologische Abfolge handelt. Am Ende stehen kreuz.net und gloria.tv. Das „schrieb“ eine Vergangenheitsform von „schreiben“ ist, könnte hier für erste Irritationen sorgen. Die Biographie endet mit einem Aspekt aus der Vergangenheit, während die Gegenwart irgendwo mitten im Absatz zu suchen ist.

Das macht neugierig. Schauen wir also genauer hin (auch, wenn das der durchschnittliche Wikipedia-Nutzer nicht tut).

Behauptet wird, dass ich auf kreuz.net und gloria.tv schrieb.

Das ist formal nicht falsch. Ich selber hatte es – was kreuz.net betrifft – 2012 thematisiert. Interessanterweise wird genau dieser Text auch als Referenz genutzt, obwohl private Blogs sonst als irrelevant gelten – zumal der zitierte, der von einem „vollkommen irrelevanten Blogger“ (so Wikipedia in einem anderen Kontext) betrieben wird – und obwohl Informationen zu Personen immer nur dann zitationsfähig sind, wenn sie von Dritten kommen, nicht von der Person selbst (was ja auch nachvollziehbar ist, schließlich könnte ich in meinem Blog auch behaupten, ich sei vierfacher Handballweltmeister – würde das dann auch als Beleg akzeptiert?). Also: Zwei Verstöße gegen Wikipedia-Standards. Gut, wer die Regel macht, darf sie auch brechen. Wikipedia ist der verbliebene Rest des Absolutismus in unserer Zeit. Das wussten wir ja auch schon vorher.

Kommen wir zum Inhalt:

1.) Kreuz.net:

Wahr ist, dass 2008 ein Text von mir von der Redaktion zweitveröffentlicht wurde, also, veröffentlicht wurde, nachdem er bereits woanders publiziert worden war. Ich hatte ihn der Redaktion zugeschickt. Alle Hintergründe zu dem Fall finden sich hier.

Das war sicher unangebracht (das weiß ich mittlerweile auch – damals kannte ich Kreuz.net nur dem Namen nach), rechtfertigt aber kaum eine isolierte Erwähnung in einem Lexikonartikel. Die Formulierung „schrieb auf de[r] rechtskatholischen Website kreuz.net“ suggeriert ja eine regelmäßige Beteiligung, die für die Biographie insgesamt relevant und für meine Arbeit typisch ist. Zumindest sollte man das annehmen. Bei „Angela Merkel“ steht ja auch nichts vom vermeidbaren Rechtschreibfehler in einem Deutschaufsatz der vierten Klasse.

Ich habe in den letzten 15 Jahren rund 10.000 Texte veröffentlicht, auf zig Webseiten, in zig Zeitschriften und Zeitungen, in zig Büchern. Kein einziges Beispiel wird genannt – außer Kreuz.net. Doch, Halt: Stimmt ja gar nicht! Gloria.tv wird auch noch erwähnt.

2.) Gloria.tv:

Auf Gloria.tv habe ich nie im eigentlichen Sinne geschrieben. Ich besitze dort ein Konto, auf dem ich zeitweilig (per „copy“ und „paste“) Hinweise auf meine Texte veröffentlicht habe. Wenn man das „schreiben“ nennen will – gut, dann soll man das tun. Diese Texte waren mit denen form- und inhaltsgleich, die ich zeitnah auf Facebook und Twitter veröffentlichte. Mit der gleichen Berechtigung könnte man also auch behaupten, ich „schrieb auf Facebook und Twitter“.

Die Hinweise stellte ich auf Gloria.tv, um zum einen für meine Texte zu werben (das kann man verwerflich finden, OK), zum anderen, um die Diskussionen auf Gloria.tv zu beeinflussen und den Horizont der aktiven Kommentatoren zu erweitern. Das ist mir – wie ich heute sagen muss – eindeutig nicht gelungen. Es rechtfertigt aber nicht die mit der Formulierung „schrieb auf de[r] rechtskatholischen Website gloria.tv“ unterstellte Identifikation mit dem im Forum herrschenden Umgangston und den dort vertretenen Positionen. Dass Wikipedia den Anstoß einer Diskussion und den Verlauf bzw. das Ergebnis derselben in der Bewertung gleichsetzt, ist schon sehr ernüchternd. Ich bleibe – wenn ich darf – dennoch dabei: Nicht jeder Kardiologe ist herzkrank.

Das dazu. Weiter im Text. Als ich merkte, dass mein Ansatz nicht fruchtete, zog ich mich zurück. Schon zu meiner „aktiven“ Zeit habe ich deutliche Kritik an den Auswüchsen auf Gloria.tv geübt, z.T. auch aufgrund persönlicher Anfeindungen seitens einiger besonders aggressiver Kommentatoren und ganz spezieller Dummheiten.

Warum ich trotzdem „blieb“, hatte zwei Gründe: Erstens sehe ich im Rückzug (und damit in der Diskursverweigerung) immer nur die ultima ratio. Ich stehe mit vielen Menschen in Kontakt, mit denen mich nur wenig verbindet. Solange ich ein Fünkchen Hoffnung sehe, zumindest im Einzelfall ein Nachdenken anzuregen, bleibe ich. Vielleicht ist das ein Fehler. Vielleicht sollte man einfach in seiner Filterblase bleiben – und gut. Dass Wikipedia mir daraus einen Strick dreht, dass ich überhaupt mit Glorianern Kontakt hatte, muss ich hinnehmen. Zweitens kam für mich ein Rückzug nicht mehr so ohne weiteres in Frage, seitdem ich genau dazu in erpresserischer Weise genötigt wurde. Denn ab dann ging es um Meinungsfreiheit und Freiheit überhaupt. Das muss man als Wikipedianer nicht verstehen. Alle anderen können hier noch einmal die Hintergründe erfahren.

Also, Fazit:

Es ist strenggenommen und mit den genannten Einschränkungen, was den Vorgang des „Schreibens“ betrifft, nicht falsch, was in der Wikipedia über mich steht, also: „schrieb auf den rechtskatholischen Websites kreuz.net und gloria.tv“, so wie es auch nicht falsch ist, über Franz Beckenbauer zu schreiben, er sei ein deutscher Fußballer, der in seiner Karriere vier Eigentore schoss. Allerdings wäre das – als praktisch einzige Information über Beckenbauer in einer Drei-Zeilen-Biographie – etwas verzerrend, zumindest entspräche die vorgenommene Gewichtung der angebotenen Information nicht dem (von Wikipedia selbst erhobenen) Anspruch an enzyklopädische Neutralität. In meinem Fall sehe ich das ähnlich. Schade, dass meine Sicht auf „Josef Bordat“ nicht relevant ist.

(Josef Bordat)