„Sei wahrhaftig in deinem Handeln!“

Vor 85 Jahren ermordet: Erich Klausener.

Neulich war ich in Hoppegarten. Der „Emmausgang“ des Kurt Huber-Kreises, der traditionell am „Weißen Sonntag“ stattfindet, hatte mich an die dortige Galopprennbahn geführt. Doch die Gruppe der Akademiker-Seelsorge im Erzbistum Berlin war nicht nach Hoppegarten rausgefahren, um ein Pferderennen zu sehen, sondern um an einen katholischen Christen zu erinnern, der hier in einer Rede auf dem 32. Märkischen Katholikentag am 24. Juni 1934 das NS-Regime kritisiert hatte und wenige Tage später im Zuge der Röhm-Affäre in seinem Berliner Dienstzimmer ermordet wurde – am 30. Juni 1934, heute vor 85 Jahren.

EK-Büste in Hoppegarten
Büste Erich Klauseners vor der Galopprennbahn Hoppegarten. Foto: JoBo, 4-2019.

Die Rede ist von Erich Klausener. 1885 in Düsseldorf geboren, wurde er zu einem der führenden Vertreter des politischen Katholizismus in Deutschland. 1906 wurde er Regierungsassessor im Preußischen Handelsministerium. Nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg wurde er 1917 Landrat im Landkreis Adenau und 1919 im Kreis Recklinghausen. Im Jahre 1924 wurde Klausener Ministerialdirektor im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt. 1926 wechselte er ins preußische Innenministerium und übernahm dort die Leitung der Polizeiabteilung. Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 wurde er ins Reichsverkehrsministerium versetzt.

Als Leiter der Berliner Katholischen Aktion organisierte Klausener seit 1928 Kundgebungen von Katholiken und wandte sich 1933 gegen die kirchenfeindliche Politik der Nationalsozialisten. Insbesondere prangerte er die Ausgrenzung weltanschaulicher Kontrahenten an. Zu diesen zählte auch Klausener selbst. Seine katholische Erziehung und seine persönliche Frömmigkeit verbanden sich mit einem gesunden Patriotismus, der ihn klare Grenzen ziehen ließ: Während er die sozialen und gemeinschaftsbildenden Maßnahmen der NSDAP zu Beginn begrüßte, wandte er sich von Anfang an entschieden gegen die antiklerikale Politik der Nazis und forderte christliche Werte als geistige Grundlage des Staates ein.

Alfred Rosenberg, der Chefideologe der NSDAP, hatte dafür nur Spott übrig. In einem Beitrag des Völkischen Beobachters erwidert er am 27. Juni 1933: „Der Zentrumsmann Dr. Klausener sieht also den 14jährigen Kampf Adolf Hitlers und die große Erhebung unseres Volkes als eine von noch nicht genügend innerer Geistigkeit getriebene Bewegung an!“ Klausener protestierte konkret gegen verschiedene anti-kirchliche Verlautbarungen und Maßnahmen und nahm die Kirche immer wieder gegen (zu dieser Zeit noch vornehmlich verbale) Übergriffe in Schutz, auch, wenn er damit ranghohe Nazi-Größen wie Arbeitsminister Robert Ley attackieren muss. Klausener gerät so ins Visier der neuen Staatsmacht, wird kurzzeitig inhaftiert. Das alles passiert etwa ein Jahr vor seiner Rede, die zu seiner Ermordung führte.

Was genau Erich Klausener am 24. Juni 1934 in Hoppegarten gesagt hat, wissen wir nicht; ein Redemanuskript ist nicht überliefert. Zeugen widersprechen einander in der Frage, wie weit Klauseners Regimekritik ging. Meinte er nur die Kirche, wenn er von „Frieden“, meinte er nur die Katholiken, wenn er von „Liebe“ sprach? Dass er darüber gesprochen hat, geht aus einer Karte an seine Mutter hervor, in der er betont, die Rede sei gut verlaufen und er habe „nur zum Frieden und zur Liebe geredet“. Historiker streiten sich bis heute darüber, wie der Widerstand Klauseners und vor allem diese entscheidende Rede zu bewerten sind. Im Personenverzeichnis der Gedenkstätte Deutscher Widerstand heißt es, Klausener habe sich in seiner Rede lediglich gegen die Ausgrenzung von Menschen anderer Weltanschauungen durch die Nationalsozialisten gewandt – nicht aber gegen Rassenwahn und Antisemitismus. Sein Sohn widerspricht dieser Deutung und meint, die Teilnehmer des 32. Märkischen Katholikentages hätten die Rede so verstanden, dass die von seinem Vater angesprochene Menschenliebe jede Bevölkerungsgruppe einschließt, auch die Juden. Wie gesagt: Zweifelsfrei klären lässt sich das heute nicht mehr.

Offiziell beging Erich Klausener am 30. Juni 1934 „Selbstmord“. Die Kirche war gehalten, sich der offiziellen Version anzuschließen – und tat dies auch. Als einer der wenigen hatte Klauseners Pfarrer Albert Coppenrath den Mut, öffentlich der Suizid-These zu widersprechen. In einer Predigt verwies er auf den „erschossenen“ Katholikenführer Klausener. Nach der Kollekte für ein Klausener-Denkmal auf dem Friedhof der St.-Matthias-Gemeinde wurde Coppenrath verhaftet. Die folgende Gerichtsverhandlung am 3. August 1936 wegen „Kanzelmissbrauchs“ endete mit Freispruch. Dennoch: Das ehrende Andenken Erich Klauseners konnte erst nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes beginnen.

„Sei wahrhaftig in deinem Handeln!“ – Das ist eines der Sentenzen, die von Klausener überliefert sind. Eine zeitlose Mahnung an alle, denen Frieden und Menschenliebe etwas bedeutet.

(Josef Bordat)